Von der Römischen Kaiserzeit bis in die Neuzeit am Rennweg im 3. Wiener Bezirk
Erstellt von Tanja Trausmuth am 14. Apr. 2021
Beschreibung
Aufgrund eines Neubaus einer Wohnanlage am Rennweg Nr. 88 und 90 im 3. Wiener Gemeindebezirk wurde im Frühherbst 2015 auf einem Areal von 1420 Quadratmetern eine Denkmalschutzgrabung durchgeführt, die archäologische Befunde aus drei historischen Epochen zutage brachte.
Bereits im Vorfeld war den Archäologen bekannt, dass die beiden betroffenen Parzellen im Bereich der östlichen Ausläufer der römischen Zivilsiedlung von Vindobona lagen, wo bei Grabungen schon Handwerksbetriebe (Töpfereien) und Grabbezirke entlang der in Richtung Carnuntum führenden Limesstraße angetroffen worden sind. So zeigten sich auf der Grabungsfläche vorwiegend in der südlichen Hälfte der Liegenschaft Rennweg Nr. 88 und Aspangstraße Nr. 63 römerzeitliche (ca. 15 v. Chr. bis 3. Jahrhundert n. Chr.) Befunde. Über dunkelbraunen bis rötlich-braunen humosen Verfüllungen liegend, konnte während der Grabung ein trocken gelegtes, nur ein bis zwei Lagen hoch erhaltenes Mauerfundament aus Bruchsteinen mit einer Länge von 3,50 Meter und einer Breite von 40 Zentimetern dokumentiert werden, welches am Südende noch einen 50 Zentimeter breiten Mauerfortsatz in Richtung Westen aufwies. Aufgrund seiner Nordost-Südwest Orientierung könnte es einst eine Parzellenbegrenzungsmauer gewesen sein, da es dieselbe Orientierung wie entsprechende Gräbchen und Mauerreste im Bereich der benachbarten römischen Töpfereibetriebe aufwies. Des Weiteren zeigte sich auf einer Fläche von 60 Quadratmetern ein umfangreicher Komplex aus insgesamt 14 römischen Gruben und Mulden, welche offensichtlich gleichzeitig verfüllt wurden. Vor allem im nordwestlichen Bereich des Grubenkomplexes konnten aschige Verfüllungen mit viel Holzkohle und Hüttenlehm festgestellt werden, welche als Reste aufgelassener und einplanierter Ofenanlagen interpretiert wurden. Ein 4,30 Meter langes und 50 Zentimeter breites Gräbchen, das im rechten Winkel zur Bruchsteinmauer am östlichen Rand des Grubenkomplexes verlief, wurde von den Archäologen zusammen mit der Bruchsteinmauer als römisches Gebäude gewertet, das eventuell zu Beginn des 3. Jahrhunderts über den verfüllten Gruben errichtet worden ist.
Das zahlreiche Fundmaterial aus den Grubenverfüllungen datierte mit deutlichem Schwerpunkt im 2. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts und enthielt insgesamt über 170 Fragmente von Terra Sigillata (römisches Tafelgeschirr aus Keramik) hauptsächlich mittel- und südgallischer Herkunft, wobei eine reliefverzierte Schüssel sogar einen Dekorstempel des Cinnamus aus Lezoux (aus Mittelgallien, ca. 130–180 n. Chr.) enthielt. Des Weiteren konnte an römischem Fundmaterial eine Münze des Hadrian (As, ca. 118–129 n. Chr.), Faltenbecher, ein Gefäß mit schrägen Furchen, ein Amphorenfragment mit Henkel, zahlreiche Reibschalen, Räucherschalen, pannonische Glanztonware, ein vollständiges eiförmiges Gefäß, 4 reduzierend und oxidierend gebrannte Schüsseln und Krüge sowie zwei Gesichtsgefäße geborgen werden.
Die Funktion einer im Südwesten des Grundstücks Rennweg Nr. 90 liegenden ca. 1 Meter tiefen, rechteckigen Grube mit 1,40 mal 1 Meter konnte nicht geklärt werden.
In der Nordecke der Parzelle Rennweg Nr. 88 konnte auf einer Fläche von ca. 5,50 mal 9,50 Meter über dem anstehenden Löss, in den insgesamt sechs Rad- beziehungsweise Wagenspuren eingetieft waren, eine Abfolge mittelalterlicher Straßenniveaus erfasst werden, welche sich unter den heutigen Rennweg fortsetzten, und zahlreiche Eisenfragmente sowie geringe Mengen spätmittelalterlicher (ca. 1250 bis 1500 n. Chr.) oder eventuell noch frühneuzeitlicher (ca. 1500 bis 1800 n. Chr.) Keramik sowie ein Hufeisen beinhalteten.
Der Franziszeische Kataster von 1829 zeigt im Bereich der Parzellen Rennweg Nr. 88 und 90 eine noch unbebaute Ackerfläche, wobei südlich davon der 1803 fertiggestellte Wiener Neustädter Kanal verlief. Während der archäologischen Untersuchung konnten einerseits im Norden der Parzelle Rennweg Nr. 88 über den mittelalterlichen Straßenniveaus weitere massive und festgefügte neuzeitliche Straßenkörper festgestellt werden, und auch im Südosten des Grundstücks Rennweg Nr. 90 befand sich ein umfangreicher Graben bzw. Gruben-Komplex. Aus den Straßenkörpern wurde Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts geborgen und ihr sorgfältiger Aufbau erinnert an die von John Loudon McAdam um 1820 entwickelte Straßenbauweise (»Makadam«) mit drei Schichten aus jeweils unterschiedlich großen, gebrochenen und gut verdichteten Gesteinskörnungen, was ebenfalls auf eine Errichtungszeit etwa in der ersten Hälfte oder Mitte des 19. Jahrhunderts schließen ließ.
Beim Grubenkomplex der nicht unterkellerten Südhälfte der Parzelle Rennweg Nr. 90 kam eine bis zu 9,80 Meter breite und über 2 Meter tiefe, grabenähnliche Struktur mit mehreren dunkelbraunen Verfüllungen auf einer Länge von 23 Metern zu Tage, deren Funktion im Zusammenhang mit dem ursprünglich nur wenige Meter weiter südlich in gleicher Nordwest-Südost-Orientierung vorbeifließenden Wiener Neustädter Kanal stehen könnte. die Verfüllungen enthielten neben vereinzelten römischen Keramikfragmenten hauptsächlich Funde des 18. und 19. Jahrhunderts.
Quellen
Mosser, M., 2015. KG Landstraße, GB Wien 3. Fundberichte aus Österreich 54, 435-437, D7639-D7649.
Karte
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Siedlung, Wirtschaft und Industrie, Strasse, Grabung
Frühneolithikum, La-Tène-Zeit, Römische Kaiserzeit, Hochmittelalter, Spätmittelalter, Neuzeit
Bericht
- Jahr 2015
- Maßnahme-Nr. 01006.15.01
Lage
- KG Landstraße
- OG/MG/SG Wien
- VB Wien
- BL Wien