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Von der Frühen Jungsteinzeit bis in die Neuzeit am Rochusmarkt

Erstellt von Tanja Trausmuth am 14. Apr. 2021

Beschreibung

Wie bereits im Jahr 2014 konnten auch 2015 die archäologischen Grabungen im Hofbereich des Postareals am Rochusmarkt im 3. Wiener Gemeindebezirk von der Stadtarchäologie Wien fortgesetzt und spannende Befunde aus mehreren Zeitabschnitten dokumentiert werden.

So wurde von den Archäologen über dem anstehenden Löss der Wiener Stadtterrasse in einer Tiefe von ca. 2,50 bis 2,70 Meter Tiefe eine ca. 60 Zentimeter hohe Schicht aus hellbraunem, sandigem Lehm wahrgenommen, in welcher eine Häufung an Funden der linearbandkeramischen Kultur (ca. 5600 bis 4900 v.Chr.) beobachtet werden konnte. Zu den Funden von Früh-jungsteinzeitlicher Keramik (ca. 5600 bis 5000 v. Chr.), welche sich  in einer Reihe von Gruben und Mulden auf den nordöstlichen Teil der Grabungsfläche konzentrierten, zählten auch Feuersteine – sogenannte Silices - Hüttenlehmbrocken und Reibsteine.

Weitere Funde dieser Zeitstellung konnten auch innerhalb eines  an der nördlichen Grabungsgrenze liegenden, Südwest-Nordost orientierten Langhauses dokumentiert werden. Die Archäologen konnten von diesem Langhaus zwei parallele Wandgräbchen sowie drei Reihen von ebenfalls parallel dazu verlaufenden Pfostenlöchern auf einer Breite von ca. 5,60 und einer Länge von ca. 14 Metern erfassen. Innerhalb des Langhauses kam auch eine ca. 3,50 Meter lange und 1,20 Meter tiefe, etwa Ost-West orientierte Schlitzgrube zum Vorschein, welche sich jedoch als jünger herausstellte und aufgrund ihrer Orientierung eventuell mit den weiter südlich davon folgenden muldenförmigen Strukturen und Gruben zusammenhängen könnte.

Im Süden des Langhauses befand sich neben großflächigen Lehmentnahmegruben auch eine dichte Lage von orangerot verbranntem Lehm und Reste der hart gebrannten Lehmplatte einer Feuerstelle, welche von einst verstürzten Ofenteilen stammten, sowie zahlreiche ca. Nord-Süd orientierte, meist langovale Mulden mit einer ca. 6 mal 4 Meter messenden knapp 1 Meter tiefen Grube im Zentrum, welche neben zahlreichen Keramikfragmenten, wenigen Tierknochen und einem Reibstein auch ein Artefakt aus einer Spondylusmuschel beinhaltete.

In einem sich in Nordost-Südwest-Richtung erstreckenden Areal des Grabungsgeländes befanden sich auf einer Fläche von ca. 500 Quadratmetern Befunde der Spätlatènezeit (ca. 150 bis 15 v. Chr.), wobei das Auftreten von fossilen Harzen (Bernsteine) in allen Verfüllungsschichten auffällig war und als Überrest einer anzunehmenden Schmuckperlenproduktion gewertet wurde. Des Weiteren konnten neben zahlreichen Gruben ein ca. 3 mal 2,50 Meter großes, eingetieftes Grubenhaus sowie ein weiteres östlich davon liegendes, und eine ca. 1 Quadratmeter große, 1,10 Meter tiefe Grube entdeckt werden, welche am Grubenrand eine grünliche Verfärbung zeigte und als Latrine interpretiert wurde. Ungefähr zwischen den beiden dokumentierten Grubenhäusern folgte eine ca. 1,35 Meter tiefe Grube mit einem Durchmesser von mindestens 3 Metern, in deren Verfüllung eine hohe Anzahl an Tüpfelplattenfragmenten zum Vorschein kam und von den Archäologen als Nachweis einer keltischen Münzproduktion gewertet wurde. Ebenfalls der Spätlatènezeit (ca. 150 bis 15 v. Chr.) angehörend, zeigten sich im Grabungsareal eine ovale Feuerstelle in Form einer orangerot verziegelten, hart gebrannten, nach unten gewölbten Lehmplatte, eine befestigte Ofenkonstruktion mit Schotterunterbau und hart gebranntem, orangerot verziegeltem Lehm sowie 6 Brunnenanlagen und eine Metallwerkstätte mit einer Ofenkonstruktion und einer mit Asche verfüllten Grube, in welcher sich Gussformen und kleine Bronzefragmente als Produktionsabfälle befanden. 

Zum Spätlatènezeitlichen und römischen Fundmaterial (des zweiten bis dritten Viertels des 1. Jahrhunderts v. Chr.) zählten großteilig gebrochene Keramik, darunter Fragmente zweier Amphoren, Schlacke sowie zahlreiche Hornzapfen, zwei beinerne römische Stili (Schreibgriffel), eine Spatelsonde (medizinisches Gerät), mehrere Fragmente pompejanisch-roter Platten (römisches Koch- oder Backgeschirr), Feinwarebecher mit Pünktchendekor, eine rechteckige Siegelkapsel (Schutzhülle für Siegel) aus Bein und eine Fibel (Gewandspange)des Typs Almgren 65. Die Archäologen konnten vermuten, dass die Verfüllung der Siedlungsobjekte spätestens um etwa 30 v. Chr. erfolgte und mehrere Bestandteile der Frauentracht auf die Anwesenheit von Einzelpersonen aus dem Raum zwischen dem Save-Drau-Gebiet und Dakien hinwiesen. Von Personen aus dem germanischen Raum zeugten ein S-förmiger Schließhaken aus Bronze und ein Keramikfragment mit eingeritztem Mäanderdekor. Werkstättenabfälle und andere Überreste des Produktionsprozesses konnten somit die Herstellung von Münzschrötlingen (Tüpfelplatten), eine metallverarbeitende Werkstätte (Bronzeguss), die Herstellung von Schmuckperlen aus fossilem Harz (Bernstein) aus einer lokalen Lagerstätte (Gablitz), eine Töpferei (Rohgraphit) sowie eine Hornzapfen und Geweih verarbeitende Werkstätte in der Spätlatènezeit (ca. 150 bis 15 v. Chr.) belegen. Der hohe Wasserbedarf dieses wohl im Nahbereich des eigentlichen Siedlungszentrums zu lokalisierenden Wirtschaftsareals manifestierte sich in der Existenz von sechs Brunnen.

In Zusammenhang mit der Vorstadt St. Niklas und des vor 1228 gegründeten Zisterzienserinnenklosters St. Maria bei St. Niklas vor dem Stubentor, dessen Überreste westlich der Grabungsfläche zu vermuten sind, standen alle mittelalterlichen (ca. 500 bis 1500 n. Chr.) Befunde der Grabung. So konnten spätmittelalterliche (ca. 1250 bis 1500 n. Chr.) Befunde in Form eines Brunnens, eines Erdstalls mit fünf miteinanderverbundenen, 1,80 Meter tiefen kammerartigen Gruben, weitere Gruben sowie Reste einer Straßenschotterung dokumentiert werden. Der Brunnen hatte einen Durchmesser von ca. 1,50 Meter und wurde frühestens im 14. Jahrhundert verfüllt. Die Erdställe und der Brunnen dürften zeitgleich im Spätmittelalter – spätestens mit der Anlage des Grabens um die Vorstadt St. Niklas – verfüllt worden sein, wobei vor allem die Entsorgung von Hundekadavern sowohl innerhalb des Erdstalls als auch in der Brunnenverfüllung bemerkenswert erschien. Zu den Funden der Erdstall-Gruben zählten Keramikfragmente sowie drei vollständig erhaltene Miniaturgefäße. Das Fundmaterial aus den Verfüllungen wurde in den Zeitraum vom 13. bis zum 15. Jahrhundert datiert. Des Weiteren konnte von den Archäologen auf nur etwa 2 Meter Länge der nördliche Randbereich einer ca. 1 Meter breiten Straßenschotterung freigelegt werden, welche annähernd in Ost-West-Richtung in der westlichen Verlängerung der heutigen Erdbergstraße verlief und deren ursprünglichen mittelalterlichen Verlauf markierte.

Dokumentiert werden konnte auch ein auf 90 Meter Länge nachgewiesener, in Nordost-Südwest-Richtung parallel zur heutigen Rasumofskygasse verlaufender, 20 Meter breiter und ca. 3 Meter tiefer Sohlgraben, welcher ab Mitte des 15. Jahrhunderts die Wiener Vorstadt St. Niklas und das gleichnamige Kloster umgab, das im Zuge der Ersten Türkenbelagerung 1529 zerstört und 1534 vollständig abgetragen wurde. Aufgrund der Keramikfunde konnte festgestellt werden, dass der Graben erst im Lauf des 17. Jahrhunderts zugeschüttet wurde.

Während der Grabungen konnten auch Baureste von dem bald nach 1683 errichteten Palais Mesmer, das mit einigen Adaptierungen bis zur Errichtung des heutigen Postgebäudes an der Rasumofskygasse in den Jahren 1919/1920 existierte, erfasst werden.

Quellen

Mosser, M. & Adler-Wolfl, K., 2015. KG Landstraße, GB Wien 3. Fundberichte aus Österreich 54, 433-435.

Karte

Koordinaten: 48.202910° 16.391004°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326

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