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Der spätmittelalterliche Koloman-Friedhof – Die Begräbnisstätte des Bürgerspitals

Erstellt von Tanja Trausmuth am 30. Mar. 2021

Beschreibung

Da im Zuge der Projektplanung zum Umbau des aus den Häusern Elisabethstraße Nr. 7 und Nr. 9 sowie Opernring Nr. 16 gebildeten Komplexes im Spätherbst des Jahres 2015 in den Kellern in 3 von insgesamt 32 Schürfen, welche zur Feststellung der Fundamentunterkante dienten, in bereits geringer Tiefe menschliche Knochen aufgefunden und von den Bauarbeitern herausgesucht und gesammelt deponiert wurden, wurde die Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie mit der archäologischen Begleitung beauftragt. Aufgrund der Erfahrungen der Archäologen bei den Bauvorhaben Elisabethstraße Nr. 1 bis Nr. 5 konnten die Funde zweifelsfrei dem spätmittelalterlichen (ca. 1250 bis 1500 n. Chr.) Koloman-Friedhof zugeordnet werden, der einst nicht nur als Begräbnisstätte des Bürgerspitals und als Friedhof für die Armen der Stadt diente, da dort keine Gebühren für die Bestattung eingehoben wurden, sondern historisch überliefert sind auch Massengräber im Zuge der immer wiederkehrenden Seuchengeschehen, vor allem zur Zeit der großen Pestwelle um 1350.

Bereits im Zuge der Anlage der Ringstraßenverbauung, wie etwa 1863 beim Bau des Heinrichshofes und vor den Häusern Elisabethstraße 5 und 7, wie auch 1995 und 1996 bei Grabungen in zwei Kellerräumen im Zuge der Sanierung des Hauses Elisabethstraße 1 wurde über zahlreiche Knochen- und Skelettfunde der in den Quellen erwähnten „Pestgruben vor der Stadt“ berichtet. Die westliche Grenze wurde aufgrund zahlreicher Knochen- und Keramikfunde bei einer Grabung im Jahr 2000 beim Opernring 7, wohl an einer gedachten Linie etwa 20 m westlich der Operngasse, und vom Opernring bis zur Nibelungengasse, vermutet, und somit erstreckte sich der Friedhof also vermutlich von der Kärntnerstraße bis über die Operngasse hinaus, wobei seine Grenze im Süden nicht geklärt ist. Ebenfalls bei Grabungen der Jahre 2010 und 2011 sowie 2013 und 2014 konnten große Massengräber dokumentiert und in das 14. Jahrhundert, die Zeit der großen Pestwellen datiert werden, wo vor allem der „Schwarze Tod“ von 1349 in Wien mehr als ein Drittel der Bevölkerung das Leben gekostet hat.

Bei den archäologischen Grabungen konnte festgestellt werden, dass zumindest zwei der drei Schächte eindeutig Teil größerer Grabgruben gewesen sein dürften. Die im Schacht 2 der Operngasse Nr. 16 vorgefundenen Knochen waren zwar bereits beim Abtiefen durch Bauarbeiter geborgen und in einem Sack gesammelt worden, wodurch eine exakte Befundung nicht mehr möglich war. Die Annahme als Teilbereich einer größeren Grabgrube schien den Archäologen jedoch realistisch, da die große Menge der aufgesammelten Knochen auf eine relativ große Anzahl von Individuen hinwies.

Im Schacht 6 des Hauses Elisabethstraße 7 wurden hingegen Skelette von insgesamt 16 Individuen auf fünf dokumentierten Niveaus in situ (Fund oder Objekt sind noch in der Originallage am Ort der ehemaligen Nutzung) vorgefunden, wobei es sich großteils um Erwachsene handelte und die Verstorbenen dicht an dicht, oft nur durch eine dünne Erdschicht voneinander getrennt lagen. Des Weiteren wurde von den Archäologen festgehalten, dass die Körper im Zuge der Auflösung von Fleisch- und Muskelmasse zum Teil auch ineinander gerutscht waren, wodurch auf einen hohen Anfall von Toten innerhalb kurzer Zeit geschlossen wurde, der auch das Anlegen großer Grabgruben bedingte. Des Weiteren war zu erkennen, dass die Verstorbenen in Schacht 6 einst recht sorgfältig zur letzten Ruhe – soweit erkennbar in gestreckter Rückenlage liegend, die Arme auf Brust oder Becken gekreuzt und meist Ost-West orientiert – gebettet wurden.

Auffällig zeigte sich das beinahe völlige Fehlen von Hinweisen auf Bekleidung (etwa Hafteln), da sich lediglich bei einem der Skelette eine Metallschnalle und das Bruchstück einer weiteren im Beckenbereich fanden. Auch wurden keine Textilreste vorgefunden, die etwa auf das Einhüllen der Toten in ein Leichentuch deuten könnten, was ein Hinweis auf die eilige Bestattung der Toten sein könnte, oder aber das umgebende, offenbar sehr aggressive Sediment war dafür – wie auch für den äußerst schlechten Erhaltungszustand der Knochen – verantwortlich. Von den Archäologen konnte ebenfalls die bereits öfters gemachte Beobachtung getroffen werden, dass die Toten in den mittleren Lagen am dichtesten neben- und ineinander lagen, wodurch auf den bekannten Verlauf von Seuchen mit zeitlich unterschiedlich hoher Sterblichkeit geschlossen wurde, wo zu Beginn und am Ende der Anfall an Toten geringer ist und auf ihrem Höhepunkt  die meisten Opfer starben.

In Schacht 1 der Eilsabethstraße 7 wurden von den Archäologen lediglich 3 Einzelbestattungen  von zwei Nord-Süd orientierten Erwachsenen und einem Ost-West orientierten Kleinkind in isolierten Grabgruben freigelegt, welche wohl in die Spätphase des Friedhofes zu datieren sein dürften, da die vorangegangenen Grabungen im Haus Elisabethstraße Nr. 5 zeigten, dass das Niveau der Bestattungen in einzeln definierten Grabgruben aufgrund von datierbaren Funden der letzten Belegungsphase in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zuzuordnen ist.

Allen drei Schächten gemeinsam war der Umstand, dass alle Skelette durch die Schachtwände bzw. die Außenmauer des Hauses geschnitten wurden und sich manchmal in den Profilen weitere, außerhalb liegende Bestattungen erkennen ließen.

Die Skelette wurden den Untersuchungen in die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums verbracht, um Eingang in eine geplante Bearbeitung des gesamten Komplexes „Koloman-Friedhof“ zu finden.

Quellen

Huber, E., Huber-Meduna, C. & Hulkova, L., 2015. KG Innere Stadt, GB Wien 1. Fundberichte aus Österreich 54, 432-433, D7600-D7609.

Karte

Koordinaten: 48.202043° 16.367413°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326

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Bericht
  • Jahr 2015
  • Maßnahme-Nr. 01004.15.09
Lage
Art der Maßnahme
Interpretation