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Der Bibliothekshof der Hofburg in der Inneren Stadt

Erstellt von Tanja Trausmuth am 30. Mar. 2021

Beschreibung

Aufgrund eines geplanten Bauprojektes im Bereich des Bibliothekshofes, südlich bzw. südöstlich der mittelalterlichen Hofburg, wurde im Frühherbst des Jahres 2015 von der Firma ARDIG Archäologischer Dienst GesmbH eine archäologische Grabung mit fünf Suchschnitten durchgeführt. Historische Pläne sowie die Ergebnisse der Ausgrabung im Bereich der Albertina im Jahr 1999, die die mächtigen Fundamente des Augustinerturmes sowie den Stadtgraben zutage gefördert hatte, ließen im Bereich des Bibliothekshofes Reste der mittelalterlichen (ca. 500 bis 1500 n. Chr.) Stadtbefestigung erwarten. 

Die unter den Babenberger-Herzögen Leopold V. und Leopold VI. errichtete mittelalterliche (ca. 500 bis 1500 n. Chr.) Stadtmauer war ca. 4,5 Kilometer lang, 6 Meter hoch sowie 2 Meter breit und verfügte über insgesamt 19 Türme, wobei nach der ersten Türkenbelagerung 1529 mit dem Ausbau der Festungsanlagen begonnen wurde. Im Bereich zwischen Kärntnertor und Burg wurde die mittelalterliche Stadtmauer wahrscheinlich um 1600 im Zuge des Festungsausbaus abgebrochen. So zeigt ein historischer Plan aus dem Jahr 1684 ein kaiserliches »Comedi«-Haus östlich der Burgbastion, die 1531 als Verstärkung der mittelalterlichen Stadtmauer errichtet wurde. Hinter dem Prunksaaltrakt der Nationalbibliothek wurde von 1759 bis 1764 der »Neue Augustinergang« in Fortsetzung des entlang der Stadtbefestigung verlaufenden, sogenannten Wallgangs vom ehemaligen Palais Silva-Tarouca zur Hofburg errichtet. Ersichtlich ist der »Neue Augustinergang«, der um 1902 abgebrochen wurde, auf mehreren Plänen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wobei auch immer wieder ein Gebäude unbekannter Funktion im Bibliothekshof, der durch den Augustinergang und die Nationalbibliothek begrenzt wird, dargestellt wurde.

Während der Grabungsarbeiten konnte von den Archäologen festgestellt werden, dass ein von Nordwesten des Bibliothekshofes nach Südosten verlaufender, ursprünglich gewölbter Gang aus dem frühen 20. Jahrhundert (um 1905) sowie rezente Betoneinbauten (Kanäle etc.) massive Eingriffe im Bereich des möglichen Stadtmauerverlaufs darstellten, und somit kein Hinweis auf die im Vorfeld im Osten des Bibliothekshofes erwartete, etwa parallel zur Nationalbibliothek verlaufende, mittelalterliche Stadtmauer gefunden werden konnte.

In den Schnitten 2 (im Südosten des Bibliothekshofes) und 4 (im Nordwesten) gelang es jedoch bauliche Reste des »Neuen Augustinerganges«, zu dokumentieren, bei denen es sich einerseits um ein massives, noch 1,28 Meter hoch erhaltenes Ziegelmauerwerk mit einem Ausmaß von 3,05 mal 1,15 Meter, und andererseits um ein ca. 90 Zentimeter hoch erhaltenes Mischmauerwerk aus Bruchsteinen und Ziegeln mit einer Länge von 2,05 und einer Breite von 0,32 Meter handelte. In derselben Flucht wurde ein Ziegelmauerwerk mit Fundamententlastungsbogen und einer Länge von 2,70 Meter sowie einer Höhe von maximal 60 Zentimetern beobachtet, unter dem ein weiterer ca. 3,65 Meter langer, 28 bis 36 Zentimeter breiter und max. 90 Zentimeter hoher Mauerbefund aus sehr großen Bruchsteinen mit Ziegelbruch in den Zwickeln vorhanden war, der jedoch ca. 36 Zentimeter aus der Flucht hervorragte und im Nordostteil im Mörtel der Mauer einen Abdruck eines Holzbretts zeigte, wodurch auf eine Errichtung des Mauerwerks mittels Schalung geschlossen wurde. Bereits im Grundrissplan von Wien von Joseph Anton Nagel (1770-1773) ist im Bereich dieser Mauerbefunde ein Gebäudeteil verzeichnet, der auch in weiteren Plänen des 18. und 19. Jahrhunderts aufscheint und Bestandteil des »Neuen Augustinerganges« war.

Zusätzlich dazu konnten die Archäologen in Schnitt 4 massive Verfüllschichten dokumentieren, die aufgrund der Schichtabfolge und des Fundmaterials, darunter Keramikfragmente, Tierknochen, Eisen, Schlacke und Glasreste  sowie wenige grün glasierte Kachelbruchstücke, in das 16. bis 18. Jahrhundert datieren, und auf eine größere Störung mit einer Breite von mindestens 5 und einer Tiefe von 2,20 Metern hinweisen, was eine Interpretation als eventuellen Graben zuließ.

Im Schnitt 1 im Norden des Bibliothekshofes kamen zwei massive Betonkanäle sowie darunter liegend Reste eines neuzeitlichen (ca. 1500 n. Chr. bis in die Gegenwart) Kellerraumes zum Vorschein, der eventuell einst zu dem in historischen Plänen aufscheinenden Gebäude gehörte.

Quellen

Käferle, D., 2015. KG Innere Stadt, GB Wien 1. Fundberichte aus Österreich 54, 431-432, D7588-D7599.

Karte

Koordinaten: 48.206253° 16.366455°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326

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Bericht
  • Jahr 2015
  • Maßnahme-Nr. 01004.15.08
Lage
Art der Maßnahme
Zeitstellung
Interpretation