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Die Mammutjägerzeit im Stadtgebiet Wien

Erstellt von Tanja Trausmuth am 03. Mar. 2021

Beschreibung

Obwohl es seit Jahrhunderten reichlich Berichte über die Auffindung eiszeitlicher Großsäugerreste auf dem Gebiet der Stadt Wien gibt und auch immer wieder Vermutungen über den Aufenthalt der diesbezüglichen Jäger publiziert wurden, bis dato aber so gut wie keine gesicherten Angaben bzw. nur äußerst spärliche Informationen zur Anwesenheit altsteinzeitlicher (ca. 40.000 bis 9600 v. Chr.) Menschen in Wien vorlagen, wurde das von der Kulturabteilung der Stadt Wien geförderte, auf 18 Monate konzipierte Projekt „Gog & Magog – die Mammutjägerzeit in Wien“ in Kooperation mit der Stadtarchäologie Wien als auch mit der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien mit Beginn des Jahres 2015 ins Leben gerufen. Als Projektziele wurden die Zusammenstellung bisheriger Hinweise auf sogenannte (jung-)paläolithische, also (jung-)altsteinzeitliche (ca. 40.000 bis 9600 v. Chr.) Fundstellen, die Bestätigung bzw. Datierung unsicherer bzw. problematischer Altfundkomplexe, sowie die Durchführung von Prospektionen, also zerstörungsfreien Erkundungen und Erfassungen von archäologischen Stätten zur Feststellung eventuell vorhandener altsteinzeitlicher Kulturschichten auf dem Wiener Stadtgebiet gewählt.

So wurde im Laufe des Projektes als erster Arbeitsschritt die Eingrenzung und Definition von Hoffnungsgebieten („hot spots“) anhand von archäologischen und vor allem paläontologischen (Erforschung von in Sedimentgesteinen vorkommenden Hinterlassenschaften und Zeugnissen von Lebewesen, die älter als 10.000 Jahre sind) bzw. archäozoologischen (Erforschung der Überreste von Tieren, die (meist) aus archäologischen Grabungen stamen) Altfunden in Sammlungsbeständen und Literatur durchgeführt, wobei die Topographie als auch der geologische Untergrund miteinbezogen und Lössgebiete wegen der gegebenen Bedingungen zur Kulturschichterhaltung bevorzugt wurden. Des Weiteren wurden Geländebegehungen inklusive Beschreibungen und fotografischer Dokumentation durchgeführt und Rammkernsondierungen an ausgewählten, als vielversprechend erscheinenden Plätzen sowie Profilaufnahmen, vor allem im besonders vielversprechend erscheinenden Bereich Bisamberg-Senderstrasse, für das Jahr 2016 geplant.

Bereits während der ersten theoretischen Beschäftigung mit dem Projektgebiet unter geländemorphologischen bzw. siedlungsarchäologischen Gesichtspunkten wurde von den Archäologen festgestellt, dass für die geplanten Untersuchungen eine bogenförmige Zone vom Norden des Stadtgebietes (Floridsdorf/Stammersdorf, südliche Abhänge des Bisamberges) über den Nordwesten und Westen (zur Donauebene hin abfallende, lössbedeckte Ausläufer des Wienerwaldes im 17., 18. und 19. Bezirk) und den Südwesten (Großgebiet Schmelz zwischen Ottakringer Bach und Wienfluss) bis in den Süden (Bereich Laaerberg-Wienerberg) in Frage kommen würde, da es sich dabei um für jägerische Gesellschaften günstige Siedlungslagen mit Fernsicht in Gewässernähe handeln könnte, welche zudem noch mit Löss als geologischem Untergrund gut für die Überlieferung der Kulturschichten geeignet wären. Auch die erste Durchsicht der vorhandenen Literatur zeigte, dass ernstzunehmende Hinweise auf altsteinzeitliche (40.000 bis 9600 v. Chr.) Fundkomplexe genau diese großräumige Zone betrafen und so wurden als Hoffnungsgebiete des Projekts etwa der Großbereich Heiligenstadt (1190, „Erstrangiges Hoffnungsgebiet“), südlich davon (an der Grenze 18./19. und 9. Bezirk) der Bereich U6-Nussdorfer Straße, Jüdischer Friedhof – Währingerpark, wiederum südlich davon, vom 18. bis zum 16./15. Bezirk, der gesamte Wienerwald- Ostabhang (als „Zweitrangiges Hoffnungsgebiet“ eingestuft); das Großgebiet Wienerberg-Laaerberg, der Wiener Anteil des Bisambergs (Süd- bzw. Südosthänge in Stammersdorf/Floridsdorf, „Erstrangiges Hoffnungsgebiet“) und weitere kleinere Gebiete definiert. Um diese „Hoffnungsgebiete“ möglichst genau auf eigentliche „hot spots“ einzugrenzen wurde in einem nächsten Schritt eine detaillierte und möglichst komplette Aufnahme der Wiener eiszeitlichen Tierreste in den paläontologischen Sammlungsbeständen unterschiedlicher Institutionen erstellt, wobei etwa 350 Tierknochen aus sechs Sammlungen (NHM Wien, WienMuseum, Geologische Sammlung und Paläontologische Sammlung der Universität Wien, NÖ Landesmuseum St. Pölten, Bezirksmuseum Floridsdorf) detailliert aufgenommen und bestimmt wurden, und sich dadurch z. B. für das „Hoffnungsgebiet“ Bisamberg-Südost der „hot spot“ Umgebung Senderstrasse und für Heiligenstadt der Bereich um die Hohe Warte als „hot spot“ darstellte.

Im Laufe des Projekts wurde auch mit der Überprüfung und Aufnahme des archäologischen Altfundmaterials sowie mit Beschreibungen und dem Anfertigen von Zeichnungen und Fotos begonnen. Dabei zeigte sich, dass der Bestand von den Altfunden nur teilweise als tatsächlich jungaltsteinzeitlich (ca. 40.000 bis 9600 v. Chr.) datiert werden konnte, und mancher Materialverbleib unbekannt verblieb. Zudem wurden fünfzehn ganztägige Geländebegehungen durchgeführt, wobei zumindest eine Stelle (1190, Kahlenbergerdorf) mit möglicherweise vor-jungsteinzeitlichen, also vor ca. 5600 bis 2200 v. Chr. datierten Artefakten als potentieller Lager- bzw. Siedlungsplatz identifiziert werden konnte und eine weitere Stelle (Bisamberg-Senderstrasse) als extrem vielversprechend für weitere Forschungen eingestuft wurde. Zum Teilgebiet des Rohmaterialvorkommens konnte zudem noch festgestellt werden, dass obwohl  eindeutige Nachweise für die Nutzung in der Altsteinzeit fehlen, da die Nutzung bzw. der Abbau wohl überwiegend jungsteinzeitlich (ca. 5600 bis 2200 v.Chr.) sein werden, die entsprechenden Rohmaterialvarietäten auch in jungaltsteinzeitlichen (ca. 40.000 bis 9600 v. Chr.) Inventaren aus Niederösterreich nachweisbar sind.

Quellen

Schmitsberger, O., Neugebauer-Maresch, Ch., 2015. KG Grinzing u.a., GB Wien19. Fundberichte aus Österreich 54, D7492-D7494.

Karte

Koordinaten: 48.313386° 16.383723°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326

Bericht
  • Jahr 2015
  • Maßnahme-Nr. 01502.15.01
Lage
Art der Maßnahme
Zeitstellung
Interpretation