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Keltisch-römisches Heiligtum auf dem Klosterfrauenbichl in Lienz

Erstellt von Barbara Kainrath am 14. Apr. 2021

Beschreibung

Auf dem sog. Klosterfrauenbichl im Südwesten von Lienz wurden bislang vier Grabungskampagnen durchgeführt (2014, 2018-2020). Dieser Platz ist aus mehrerlei Hinsicht von besonderem Interesse: erstmals lässt sich das Stammesheiligtum eines im Ostalpenraum ansässigen Stammes fassen und zwar der im Lienzer Becken zu verortenden und schriftlich überlieferten Laianken. Mit dem Alpenfeldzug der römischen Armee gelangte der Kultplatz in ein überregionales Blickfeld und es wurde mit einer Mauer umschlossen und durch zahlreiche Terrassierungsmauern monumental ausgestaltet. Von dieser Fundstelle liegt eine immense Anzahl an Fundstücken vor, die hier in keltischer und römischer Zeit geweiht wurden und die Überlegungen zu Kultpraktiken in diesen Epochen erlauben.

Auf der Hügelkuppe (792 m Seehöhe) erstreckt sich einerseits die in etwa Nord-Süd-verlaufende Temenosmauer (Abgrenzung des heiligen Bezirks) und andererseits parallel dazu eine rechteckige Steinsetzung aus flachen Platten, von der die West-, Nord- und Ostseite freigelegt wurden. Die Steinplatten dienten entweder als Fundamentierung eines in Holz errichteten Tempelgebäudes oder als Befestigung eines rechteckigen Bereiches auf der Hügelkuppe. Die im Westen noch bis zu 1 m im Aufgehenden erhaltene und 1,3-1,4 m breite Umfassungsmauer ist auch am nördlichen Abhang der Kuppe nachweisbar. Sie ist hier 1,5 m stark mit einem 0,4 m vorspringenden einlagigem Fundament. Die etwas größere Breite resultiert wohl aus der zusätzlichen Funktion als Terrassierungsmauer für das Gipfelplateau.

An mehreren Stellen rund um den Hügel wurde die Temenosmauer freigelegt und dokumentiert, die an manchen Stellen außerordentlich gut erhalten ist. Sie war mit einer glatten Außenseite als Schalenmauer mit Kalkmörtel gebunden und war ursprünglich mit weißem Kalkverputz versehen. Insgesamt wurde eine Fläche von ca. 1,4 ha von dieser Umfassungsmauer umgeben.

Innerhalb des Heiligtums wurden an unterschiedlichen Stellen bauliche Strukturen aufgedeckt. Auf einer ebenen Terrasse unterhalb der Kuppe liegen fünf Steinsetzungen, die eine analoge Gestaltung zeigen. Der Boden wird von einer flachen Schiefergneisplatte gebildet, die von mehreren kleineren und nach außen leicht aufwärts schräg gelegten Platten ringförmig eingefasst wird. Darüber befindet sich eine 0,02-0,04 m starke Sandschicht und alles wird von einem ca. 400 kg schweren Schiefergneisblock abgedeckt. Alle Steinstrukturen sind entsprechend gestaltet, bei einzelnen Steinsetzungen ist der Deckstein allerdings in mehrere Fragmente zerbrochen. Ihre Lage zueinander im Rechteck deutet jedenfalls auf dieselbe Zeitstellung und deren Zusammengehörigkeit. Die Funktion der Strukturen ist hingegen beim derzeitigen Forschungsstand unbekannt, auf Grund der doch recht prominenten Lage innerhalb des Heiligtums ist eine nicht näher zu erschließende Funktion innerhalb kultischer Riten anzunehmen.

Eine der Terrassierungsmauern, die in derselben Technik wie die Temenosmauer errichtet wurden, stand im Fokus der Untersuchungen 2018 und 2019. Diese befindet sich im Südosten des Heiligtums und sie ist leicht gebogen und im Mittelbereich mit einer talseitig vorgelegten Verstärkung versehen. Aufgrund der bergseitigen Hinterfüllung des vormaligen Hangverlaufes und eines Pfostenloches auf einem höher liegenden Niveau kann die ursprüngliche Höhe mit mindestens 2,5 m angenommen werden. Das einzelne Pfostenloch mit einem Versatz von Keilsteinen, die bis zu 0,7 m Länge aufweisen, weist auf die Errichtung eines sehr großen hölzernen Males (bis zu 10 m) an dieser Stelle hin. Dieses Plateau war in der Antike Schauplatz für kultische Weihungen und Aktivitäten, wie die zahlreichen Funde (Münzen, Fibeln, Waffen, Schmuckstücke, Keramik, etc.) aus diesem Areal bezeugen. Darunter sind kleine Zinnfiguren von besonderer Bedeutung, weil aus dem römischen Reich kaum vergleichbare Komplexe vorliegen. Es handelt sich dabei um römische Götter wie Jupiter, Venus, Merkur, Bacchus, Victoria oder Fortuna, die im zweischaligen Guss hergestellt wurden. Der zumeist fragmentierte und verbogene Erhaltungszustand weist auf einen erkennbaren Erosionsprozess der Statuetten hin.

Neben den römerzeitlichen Befunden wurde an der südlichen Hangflanke des Klosterfrauenbichls eine eisenzeitliche Baumaßnahme dokumentiert. Im schon in der Antike sehr steilen Gelände wurde eine Terrassierungsmauer errichtet, die sich hier durch die Verankerung einer Pfostenschlitzmauer mit einem Holzrahmen im Hangschotter zeigt. Dieser Holzkasten zeichnet sich durch Verfärbungen sowohl im Nordprofil als auch im anstehenden Schotter ab. Die Pfostenschlitzmauer selbst ist noch 2 Steinlagen hoch erhalten und weist mehrere Pfostenlöcher und Pfostenschlitze auf. Sie ist durch ein Balkengräbchen und zwei Steinplatten fundamentiert. Direkt vor dieser Hangstütze befinden sich die Überreste eines Gebäudes in Schwellbalkenbauweise. Analog zum Tempelgebäude auf der Hügelkuppe besteht auch hier das Fundament aus einer dicht gesetzten linearen Steinplattenreihe, auf der der Schwellbalken auflag. Von diesem Schwellbalken zeigt sich noch der Abdruck in einer Mörtelschicht, die zum Estrichboden dieses Gebäudes gehören.

Quellen

G. Grabherr/K. Oberhofer, KG Patriasdorf, SG Lienz. Fundberichte aus Österreich 53, 2014, 366.

G. Grabherr/B. Kainrath, KG Patriasdorf, SG Lienz. Fundberichte aus Österreich 57, 2018, 437.

Karte

Koordinaten: 46.820306° 12.751787°
Koordinatensystem WGS84 / EPSG:4326